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Tipp von der „Aufräumkönigin“ – Nachklang zum Sechsten Sonntag der Osterzeit 2024

Was wäre unser Denken ohne Schubladen? Wahrscheinlich noch mehr von einer Welt überfordert, die sich ständig ändert und uns gleichzeitig mit unablässig mit Informationen überflutet.

Schubladen helfen

Zu Unrecht haben die Schubladen in unserem Kopf einen schlechten Ruf. Wer genug davon besitzt und sie klug befüllt, entgeht wahrscheinlich der Versuchung, alle ihm fremden Menschen reflexartig unter dem Label „Feind“ weg zu sortieren. Es gehört zu den Grundlagen unseres Zusammenlebens, dass wir wertneutral die vielen Schubladen in unserer Gesellschaft wahrnehmen und respektieren: seien es unser Geschlecht, unsere Muttersprache, unsere ethnische Identität bis hin zu unseren Vorlieben für einen bestimmten Musikstil oder Fußballverein. Zudem verlangt ein überlegter Umgang mit Schubladen, diese ab und an einmal aufzuziehen und ihren Inhalt zu überprüfen. Rein theoretisch sind Schubladen eine prima Sache.

Schubladen blockieren

Die Praxis sieht leider ganz anders aus. Da blockiert das sprichwörtliche Denken in Schubladen nicht nur das Funktionieren unserer Gesellschaft, sondern auch ihre Entwicklungsfähigkeit. „Schubladisierung“ läuft da als Hauptantrieb eines unhinterfragbaren Bewertungssystems mit hochemotionalen ethischen Verurteilungs- und Selbstrechtfertigungsmechanismen. Für kleine und große Gruppen, ja für einen Staat als ganzen wird es ganz besonders gefährlich, wenn die Beschriftung ganz großer Schubladen Merkmale wie Hautfarbe und Geschlecht (Stichwort „alte weiße Männer“) moralisch instrumentalisiert. Eine weitere substanzielle Bedrohung geht von der unablässigen Produktion ständig neuer Täter- bzw. Opferettikettierungen aus. Obwohl die hierdurch fortlaufend in Gang gehaltene Einteilung in „Gut“ und „Böse“ längst tiefe Gräben in unserem Zusammenleben hinterlassen hat und dem Gegenüber nicht selten das Menschsein abspricht, scheint ihre gesellschaftliche Überwindung kaum noch möglich. Wer Schubladen befüllt, schafft offensichtlich auch und vor allem Ordnung, um etwas für sein Selbstwertgefühl zu tun. Ebenso frönt er seinem Bedürfnis nach Kontrolle und Handhabbarkeit des Geschehens um ihn herum.

Gottes (Nicht-)Schubladen

Die Welt, in der der Apostel Petrus lebt und glaubt, ist natürlich nicht mit unserer Gegenwart vergleichbar. Aber auch in ihr gibt es Schubladen, deren größte die Beschriftungen „Jude“, „Heide“, „rein“ und „unrein“ tragen. Entsprechend verhält sich Petrus, als eine Gesandtschaft des heidnischen Hauptmanns Kornelius bei ihm eintrifft und ihn bittet mitzukommen. Undenkbar für ihn als Juden! Lukas, der Autor der Apostelgeschichte, schildert deshalb ausführlich, wie Gott durch eine Reihe von Zeichen den Widerstand des Petrus förmlich überwinden muss. Endlich begreift dieser, dass die bisherigen Schubladen für Gott ausgedient haben: „Gott ist in jedem Volk willkommen, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist“ (Apg 10,35). Dies ist einer der Glanz- und Wendepunkte in der Apostelgeschichte. Mich erinnert die hier geschilderte Taufe des vermutlich ersten Heiden und Europäers an einen der zentralen Ratschläge der vor einigen Jahren als „Aufräumkönigin“ gefeierten Ordnungsberaterin Marie Kondo. Sie empfiehlt: Öffne regelmäßig deine Schubladen und hol alles raus. Wirf es auf einen großen Haufen – mach Unordnung! Dann nimm dir Zeit und nimm alles einmal in die Hand. Wenn es dir gefällt, wenn du ein Glücksgefühl damit hast, dann lege es ordentlich zusammen und zurück in die Schublade. Wenn nicht - dann bedanke dich für die gemeinsame Zeit, den geleisteten Dienst und dann verabschiede dich. Ein Ansatz, der sich bestens auf mentale Schubladen und die darin lagernden Vorurteile anwenden lässt.

Könnte es nicht sein, dass Gott selbst in Jesus Christus und seiner Frohen Botschaft seine Ordnungen und Gebote vor sich ausgebreitet hat und diejenigen, die ihm am liebsten waren, neu sortiert und bewertet hat? Damals wie heute hat er dabei die Vision einer Kirche vor Augen, die die Menschen aus allen Schubladen dieser Welt zusammenführt.

Stefan-Bernhard Eirich, Bundespräses der KAB Deutschlands