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Aber bitte mit Herzblut! – Ein Nachklang zum Internationalen Tag der menschenwürdigen Arbeit 2023

Aber bitte mit Herzblut!

Weinberge und Weinbau faszinieren mich als gebürtigen Mainfranken (= „Weinfranken“) von Kindesbeinen an. Als Jugendlicher durfte ich mehrfach bei der Weinlese in den Steilhängen der Volkacher Mainschleife mithelfen und wertschätze seither die ebenso herausfordernde wie harte Arbeit der Winzerinnen und Winzer sehr. Sie beginnt im Januar und endet idealerweise erst wenn der Eiswein gelesen ist, nach dem ersten Frost im Spätherbst. Durchgängig intensive Zuwendung ist die unabdingbare Voraussetzung für gute Trauben und noch besseren Wein. Es braucht hierfür jede Menge an Herzblut. Ich bin mir sicher, dass zwischen Winzer und Weinstock eine fast liebende Beziehung besteht. Ein unbekannter Künstler aus dem frühen 13. Jahrhundert bringt diese Zuwendung mit höchster Vollendung in einer Skulptur zum Ausdruck, die er für den Dom in Ferrara geschaffen hat. Sie ist im Rahmen eines 12-Monats-Zyklus dem Monat September gewidmet und zeigt den Winzer mit geradezu zärtlichem Respekt für Trauben und Weinstock bei der Weinlese.

 

Missbrauch von geschenktem Vertrauen

 Unsere Heilige Schrift greift immer wieder auf das Bild des Weinbergs zurück, um davon zu erzählen, wie unvorstellbar wertvoll die uns von Gott anvertrauten Güter sind und wie groß unsere Verantwortung für diese ist. Auch hier braucht es Herzblut und Hingabe! Daher beginnt das sogenannte Weinbergslied des Propheten Jesaja wie ein Liebeslied und schildert das innige Verhältnis zwischen Weinbergsbesitzer und Weinberg (Jes 5,1-7). Ähnlich steht es um den Gutsbesitzer, der im von Jesus erzählten Gleichnis (Mt 21,33-44) mit großem Aufwand einen Weinberg anlegt und ihn dann verpachtet. Als er wenig später auf Reisen geht, beginnen die Probleme. Die von ihm beauftragten Winzer wenden alles darauf an, sich das Erbe unter den Nagel zu reißen. Sie missbrauchen das ihnen geschenkte Vertrauen und beuten den Weinberg für ihre eigenen Zwecke aus. Für ein Maximum an Profit gehen sie schließlich über Leichen.

Das Bildwort vom Weinberg lässt vielerlei Deutungen zu. Vor dem Hintergrund des am 7. Oktober alljährlich begangenen Internationalen Tages für menschenwürdige  Arbeit, verstehe ich es als Hinweis auf die Menschenwürde, die Gott uns nicht nur einfach geschenkt, sondern als hohes Gut unserer Verantwortung anvertraut hat. Aber ähnlich wie der Weinbergsbesitzer, der für längere Zeit unterwegs ist, wirkt auch Gott fern und abstrakt. In seiner vermeintlichen Abwesenheit wächst die Versuchung von Zweckentfremdung und Missbrauch. Die bösen Winzer sind nicht nur Personen, sondern in weitaus größerem Umfang „alternativlose“ Maßnahmen und Entwicklungen, für die am Ende niemand geradesteht oder gar als Entscheider bzw. Entscheiderin die Verantwortung übernimmt: Angefangen von der zunehmenden Flexibilisierung von Arbeitsformen und Zeiten zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, über stetige Arbeitsverdichtung bis hin zur bewussten Umgehung von Tarifstandards durch Crowd-Working und mehr oder weniger verdeckten Formen von Work-on-demand.

 

Maximaler Profit zu niedrigen Kosten

Papst Franziskus fasst dies in seinem jüngsten Mahnschreiben vom 4. Oktober „Laudate Deum“ als die „Logik des maximalen Profits zu den niedrigsten Kosten“ zusammen. Diese wird „verschleiert als Rationalität, als Fortschritt und durch illusorische Versprechen“ (LD 62). Die Folgen dieser Logik sind für die Betroffenen im wahrsten Sinn des Wortes entwürdigend. Permanenter Druck und ein permanent schlechtes Betriebsklima zermürben viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihrem Menschensein und ihrer Menschlichkeit.

Der Papst erinnert uns eindringlich daran, dass wir Menschen als besondere Geschöpfe in unserem „gemeinsamen Haus“ leben, „das Gott gehört". Wir können nicht so tun, als wären wir die Eigentümer. Als Christinnen und Christen sind wir Mieter und tragen an herausragender Stelle eine Mitverantwortung für das Klima in diesem Haus, - auch für das Klima des Zusammenlebens seiner Bewohnerinnen und Bewohner und deren Würde!

Ohne Herzblut geht das nicht.

Stefan-Bernhard Eirich, Bundespräses der KAB Deutschlands