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Babelfisch und Heiliger Geist – Ein Nachklang zu Pfingsten 2023

„‚Der Babelfisch‘, ließ der Reiseführer ‚Per Anhalter durch die Galaxis‘ mit ruhiger Stimme vernehmen, ‚ist klein, gelb und blutegelartig und wahrscheinlich das Eigentümlichste, was es im ganzen Universum gibt. Er lebt von Gehirnströmen, die er nicht seinem jeweiligen Wirt, sondern seiner Umgebung entzieht… Der praktische Nutzeffekt der Sache ist, dass man mit einem Babelfisch im Ohr augenblicklich alles versteht, was einem in irgendeiner Sprache gesagt wird. Damit hat der Babelfisch … mehr Unheil und Kriege verursacht, als man sich denken kann (1).

Von der Pfanne in den Ofen

Mit bitterer Ironie stellt Douglas Adams in seinem gleichnamigen Kultroman klar, dass die bloße Übersetzung von der einen in die andere Sprache noch kein gegenseitiges Verständnis zur Folge hat. Ganz im Gegenteil: Die Sprache bleibt die Quelle aller Missverständnisse. Auch der „Babelfisch“ bewirkt nicht das Sprachenwunder, von dem an Pfingsten die Rede ist. Als Teilnehmer eines internationalen Kongresses der Christlichen Arbeiterbewegungen Ende März dieses Jahres konnte ich erneut erleben, dass es beim Dolmetschen um weit mehr geht, als nur Worte von einer Sprache in die andere zu übertragen. Die überragende Arbeit der Dolmetscherinnen und Dolmetscher trug entscheidend zur guten Atmosphäre der fünfsprachigen Konferenz bei. Bei einer reinen Google-Übersetzung wäre vieles an Inhalt und Zwischentönen auf der Strecke geblieben. Denn man und frau kann schon mal von der Pfanne in den Ofen kommen, wie es im Englischen heißt. Auf Deutsch kommen wir aber vom Regen in die Traufe. Kurzum: Sprache umfasst weit mehr als einfach nur Worte. Sprache transportiert immer ein bestimmtes Verständnis von Welt. Zur Sprache gehören die Kultur und die Unverwechselbarkeit eines jeden Menschen.

Meine Meinung zählt allein

Ob nun „Babelfisch“, Übersetzungsapps wie DeepL & Co oder das Erlernen von Fremdsprachen, - aller diesbezügliche Aufwand ist sinnlos, wo Menschen reden, aber nicht miteinander kommunizieren wollen. Und selbst die genialsten Dolmetscherinnen und Dolmetscher sind überfordert, wenn Sprache nur dazu zu dient, um die Alleingültigkeit der eigenen Position zu markieren. Die politischen Debatten der vergangenen Wochen sei es wegen des Heizungsgesetzes, rund um die Aktionen der „Letzten Generation“ oder den russischen Krieg gegen die Ukraine, können einem nachgerade das Fürchten lehren. Die persönliche Einzelmeinung scheint über alles zu gehen: über die Gedankenfreiheit der anderen und häufig sogar über deren bloße Existenzberechtigung. Längst hat sich die Kritik von den Inhalten losgelöst. Wichtig ist, dass kritisiert wird, nicht aber, was kritisiert wird. Es deprimiert mich, immer häufiger erleben zu müssen, wie Wahrheiten behauptet werden, aber zunehmend weniger um die Wahrheit gerungen wird. Am Ende würgen mir Menschen im Extremfall einfach nur noch ihren Frust als Meinung regelrecht hinein und sind empört, sollte ich auch nur für einen Moment etwas erwidern wollen.

Die Sprache der Sprachlosigkeit verstehen lernen

Daher bete ich mit Blick auf das diesjährige Pfingstfest um nichts Geringeres als um ein weiteres Sprachenwunder. Ich bitte um ein neues Wunder des Verstehens. Auf das spektakuläre Szenarium von Sturm und Feuer kann ich dabei gut verzichten. Mir genügt es, wenn ich zumindest ahnen kann, wo und wie heute Gottes Geist Kommunikation heilt und so neues Verstehen und eine neue Verständigung bewirkt. Ich vermute sein Wirken gerade dort, wo unter dem harten Panzer der Abgrenzung bei meinem Gegenüber eine tiefe Sehnsucht nach Verstanden werden und nach dem Respekt für die eigene Geschichte und Selbsteinschätzung durchschimmert. Weil ich fest davon überzeugt bin, dass man und frau „nicht nicht kommunizieren können“ (Paul Watzlawick), möchte ich eine Sprache verstehen lernen, für die es weder einen Kurs noch ein Übersetzungsprogramm gibt: die Sprache der Kommunikationsverweigrung. Ich will die Bandbreite dessen verstehen können, was sie oder er mir dennoch unbewusst mitteilt.

Sprachlehrerin Geist

Vor die Wahl „Babelfisch“ oder „Heiliger Geist“ gestellt, entscheide ich mich für letzteren. Doch nicht als Dolmetscher möchte ich ihn bei mir haben, sondern als geduldigen Sprachlehrer (gerne auch als einfühlsame Sprachlehrerin). Denn nur er bzw. sie kann mir die einzige Universalsprache beibringen, die der wertschätzenden Wahrnehmung und Empathie. Nur diese Lehrerin bzw. dieser Lehrer hilft mir, wahrzunehmen anstatt zu bewerten. Und sie, er lehrt mich, dass das eigentliche Wunder an Pfingsten in der Überwindung der Sprachlosigkeit besteht.

Stefan-Bernhard Eirich, Bundespräses der KAB Deutschlands

(1) Adams, Douglas: Per Anhalter durch die Galaxis. Zürich, Berlin (Kein und Aber Pocket) 2017, S. 71/72.

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