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Bonum statt Boni – Vielleicht eine Weihnachtspredigt

„Die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, unseres Retters, ist erschienen“ (Tit 3,4). Wie kaum in einem anderen Jahr steht diese Weihnachtsbotschaft vom ersten Feiertag in einem absoluten Kontrast zu dem, was wir allein in den Wochen dieser Adventszeit erlebt haben. Menschenfreundlichkeit? Fehlanzeige! Selbst die bloße Menschlichkeit lässt sich bestenfalls auf dem Niveau homöopathischer Dosen in den Nachrichten nachweisen. Anstatt dessen wächst die Gefahr, dass wir uns an die Unmenschlichkeit des Krieges in der Ukraine und im Gazastreifen gewöhnen. Es scheint so, dass auch in unserer Gesellschaft die „Kriegsbereitschaft“ der Menschen untereinander zunimmt. Tagtäglich werden durch ein schnell wachsende Sprachverrohung die Grenzen des Sagbaren geweitet. Verbale Gewalt ist zu einem Alltagsphänomen geworden. Gegenseitiger Respekt war gestern. Heute könnte es ein schwerer Fehler sein, der Menschlichkeit oder gar der Menschenfreundlichkeit meines Gegenübers zu trauen.

Bonum - das Gute

Aber wie steht es mit der „Güte“? Wenn es ein Nicht-Wort des Jahres 2023 gäbe, wäre mein Favorit genau dieser Begriff: „Güte“. In der Weltsprache der Kirche, also in Latein, ist hier von „Begninitas“ die Rede, was auf „Bonum“, das „Gute“ zurückgeht. „Bontà“ heißt es im Italienischen, „Bonté“ auf Französisch. Ein Schelm ist, wer dabei an „Bonus“ oder gar an die Bonus-Zahlungen für Manger denkt. Ich persönlich bleibe aber genau an diesem Wortspiel mit „Boni“ und „Bonum“ hängen, denn die Empörung über die Boni für die Bahnmanager setzt diesem an Selbstbereicherung und Gewinnabschöpfung nicht gerade armen Jahr die Krone auf. "Der entscheidende Punkt ist doch, dass die Gier – leider gibt es dafür kein besseres Wort – gut ist“, sagt der Finanzjongleur Gordon Gekko im Kultfilm „Wall Street“. Sprich, in einem etwas anderen Sinn des Wortes geht es darum, robuste „Nehmerqualitäten“ zu entwickeln. Robust mit Blick auf das eigene Ego: „Ich will das. Ich kann das mir herausnehmen. Ich mache es, weil ich es kann – und basta.“ Robust genauso gegenüber der offensichtlichen Fragwürdigkeit meines Verhaltens. Belohnung für nichterbrachte Leistungen? Kein Problem.

Zu deinen Gunsten

Was nun kennzeichnet die „Güte“ Gottes und was hat das mit Weihnachten zu tun? „Immer zu meinen Gunsten“ sagt ein Empfänger, eine Empfängerin von Bonus-Zahlungen. „Immer zu deinen Gunsten“, lautet hingegen die Weihnachtsbotschaft Gottes. Gemeint ist der Mensch, gemeint sind wir. Gott denkt sozusagen radikal vom Menschen her und von dem was dieser braucht. Gott ist in diesem Sinne sozusagen ein „extremer Humanist“. Nicht nur an Weihnachten wirbt er dafür, es ihm gleichzutun und damit unseren Alltag, unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft und unsere Politik zum Guten hin zu verändern. Es wäre schon viel gewonnen, wenn wenigstens einige der dort in führender Verantwortung handelnden Personen mit dem weihnachtlichen Perspektivwechsel vom Ich zum Anderen beginnen würden. Wer nur oder vor allem seine eigenen Interessen verfolgt, - wer vor allem am Applaus für das eigene Ich oder an pekuniären Boni, - wer nur am Gewinn Maß nimmt, der verfehlt den eigentlichen Beruf zur Politik, zum Unternehmer und zur Führung. Mehr noch: der verfehlt das Bonum, das „Gute” ebenso wie die bonté, die bontà die „Güte”. Die Beschreibung einer Person und ihres Handelns mit dem Wort „Güte“, denkt immer mit dieser Person den anderen, die andere mit, denn Güte ist kein abstrakter Begriff, sondern ein Beziehungswort. Sie zeigt sich im Blick, mit dem ich andere ansehe. In diesem Sinn ist Weihnachten als Fest nur möglich für Menschen mit wirklichen Geberqualitäten. Alle anderen feiern irgendetwas, aber ganz bestimmt nicht Weihnachten.

Stefan-Bernhard Eirich, Bundespräses der KAB Deutschlands