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Gehorsam lernen? – Nachklang zum Fünften Sonntag in der Fastenzeit 2024

Haben Sie im Laufe Ihres Lebens ein Lerngeschichte immer besseren Gehorchens?

Anlass zu dieser nur persönlich und möglicherweise ungute Erinnerungen auslösenden Frage gibt mir ein Satz aus dem Abschnitt des Hebräerbriefs, der an diesem Sonntag in den Gottesdiensten vorgelesen wird: „Obwohl er der Sohn war, hat er durch das, war er erlitten hat, den Gehorsam gelernt“ (Hebr 5,6).  

(Nicht nur) bischöfliche Gehorsamsfantasien

Vor 36 Jahre habe ich meinem Bischof und dem noch unbekannten Nachfolger im Rahmen meiner Diakonenweihe „Ehrfurcht und Gehorsam“ versprochen. Aus heutiger Sicht frage ich mich, wie es um die Führungsqualitäten in einer Institution bestellt sein muss, deren Chefs ihre zukünftigen engsten Mitarbeiter niederknien lassen und grundsätzliche Unterwerfung verlangen. „Die hier versammelten Kleriker müssen dir nun alle gehorchen“, ruft 2004 der Kölner Kardinal Meisner im Gottesdienst zur Einführung von Friedhelm Hofmann als neuem Bischof von Würzburg seinem bisherigen Weihbischof zu und meint damit, „die müssen ab jetzt spuren und nach deiner Pfeife tanzen“.  Hat dieser schlichte Begriff von Gehorsamspflicht noch irgendeinen biblischen Bezug?

Ein gehorchender Chef

Keine zehn Jahre Später sitze ich während eines Besinnungswochenendes in der Abtei Maria Laach in einer Gesprächsrunde mit dem Abt Benedikt. Es geht um das lebenslange Leben in klösterlicher Gemeinschaft und schnell entbrennt ein lebhafter Austausch über die Frage des Gehorsams. Noch heute habe ich einen bestimmten Satz von Abt Benedikt in meinen Ohren: „Für mich als Abt ist der Gehorsam zweiunddreißigmal schwerer als der Gehorsam eines Mönchs.“ Erläuternd fügte er hinzu: „Als Mönch gehorche ich einem Abt. Doch als Abt muss ich aktuell 32 Patres und Brüdern gehorchen.“ Gehorsam von oben nach unten? In der Regel des Heiligen Benedikt heißt es: „Die Mönche sollen sich in gegenseitigem Gehorsam überbieten.“ Für den Abt bedeutete dies tatsächlich einen fortdauernden Lernprozess im Hinhören und Unterscheiden, im Gewähren und Widersprechen. Abt Benedikt wurde wenige Monate später von den Mönchen in der turnusgemäßen Wahl nicht mehr bestätigt. Zu sehr lagen die Interessen der einzelnen in der über die zukünftige Ausrichtung des Klosters tief zerstrittenen Gemeinschaft auseinander. Dennoch bleibt für mich sein Ansatz der Schlüssel für mein Verständnis von Gehorsam und Leitung. Anders als in den unterkomplexen Vorstellungen einiger kirchlicher und weltlicher Führungskräfte müssen Menschen, die führen, denen auf eine bestimmte Weise gehorchen, die sie zu führen haben. Diese Art von Gehorsam beginnt mit dem Horchen und aufmerksamer Präsenz, die genau hinschaut. Ziel ist es, so verstehe ich es für mich, in gegenseitiger Loyalität zu wachsen.

Horchen und Hinhorchen

Gibt es in meinem Leben eine Lerngeschichte in Sachen Gehorsam? Tatsächlich handelt es sich eher um eine Konfliktgeschichte mit denjenigen, die aufgrund von Führungsschwäche Gehorsam forderten, wo verantwortliche Führung gefragt gewesen wäre. Beim wirklichen Horchen und Hinhorchen in Leitungsverantwortung bin ich kaum mehr als ein Anfänger. Nur mühsam lerne ich, dass Entscheidungen im Alleingang ausgedient haben sollten.

Gehorsam lernen? Wenn das heißt, Horchen und gegenseitiges Zuhören lernen, dann gerne!

Stefan-Bernhard Eirich, Bundespräses der KAB Deutschlands