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Hass macht hässlich - Nachklang 6. Sonntag 2024

„Dein Hass macht dich hässlich
Und so schön bist du nicht, dass du's dir leistеn kannst (oh-oh-oh)
Wann hast du zuletzt in den Spiegеl geschaut?
Du solltest öfters lächeln, Baby, das sieht viel besser aus.“
[i]

Sascha Reimann alias „Ferris MC“ hat Recht: Hass macht hässlich. Sein 2022 veröffentlichter Song unter diesem Titel schildert eindrücklich den alltäglichen Verleumdungs- und Diffamierungswahnsinn in deutschen Nachbarschaften. „Die nebenan“ sind „total ungepflegte Assis“, Knastbrüder und eine Gefahr für das ganze Viertel. Zwischen den Zeilen lässt sich erahnen, dass am Ende alle hässlich sein werden: die Verleumder, die Verleumdeten und die Gesellschaft in der sie leben. Unvergessen ist die Attacke des SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kars gegen die AfD in der Plenarsetzung am 12.9.2018: „von denen sind keine Lösungen zu erwarten, sondern nur Spaltung, Hetze und alles das, was bei denen dazugehört Hass macht hässlich Schauen Sie doch in den Spiegel!“[ii] Die trotzige Reaktion des Redners auf den Zwischenruf des Präsidiums war jedoch genauso „hässlich“ wie der prompte Auszug der AfD-Fraktion aus dem Sitzungssaal.

 

Klatsch und Diffamierung

„Hass macht hässlich“, genauer gesagt „aussätzig“. So lässt sich die rabbinische Interpretation der alttestamentlichen Lesung dieses Sonntags (Lev 13) zusammenfassen. Das Buch Leviticus schildert minutiös die Symptome diverser Hautkrankheiten, die den Infizierten bzw. die Infizierte zu Unreinen und Unberührbaren machen. Sie werden aus der Gemeinschaft regelrecht ausgestoßen. Vielen jüdischen Schriftgelehrten war aber die hier zugrundeliegende Rechnung, ein Aussätziger sei ein von Gott Bestrafter, zu schlicht. Deshalb spekulierten sie, ob die Erklärung nicht in dem Wort „aussätzig“ (auf Hebräisch mezora) liegen könne. Dieses klingt nämlich ähnlich wie „Verleumdung“ (mizora, wörtlich „der Böses aufbringt“).[iii] Ich übernehme gerne diese Auslegung. Denn Verleumdung macht das Zusammenleben nicht nur „hässlicher“ im Sinne von wachsender Gewaltbereitschaft, sondern infiziert dieses mit dem lebensgefährlichen Virus des Misstrauens. Denunziation und falsche Bezichtigungen gehen in Sozialen Netzwerken buchstäblich viral. Cybermobbing untergräbt jeden Rückhalt und stürzt die Betroffenen in Abgründe. Klatsch und Diffamierung sind nicht selten die Vorstufe zur gesellschaftlichen Ächtung und zum sozialen Tod. Eine Gesellschaft wird deshalb hässlich, weil alle dies auch für sich befürchten müssen und deshalb am Ende der Gefahr erliegen, sich genauso zu verhalten. In einer „hässlichen Gesellschaft“ ist somit jeder und jede zugleich Täter und Opfer, Jäger und Gejagter, normal und aussätzig.

 

Über Verhalten nachdenken

Anders als heute grenzte die antike biblische Gesellschaft einen Menschen aus, wenn er schlecht über andere geredet hatte. Sie schickte ihn sieben Tage in Quarantäne. Alle sollten sehen: Wer andere ausschließt, indem er schlecht über sie redet, wird selbst ausgeschlossen und bekommt so die Zeit, um über sein Verhalten nachzudenken und dieses (hoffentlich!) zu ändern. Was für ein Segen wäre die Existenz einer derartigen Regel in Internet-Zeiten, in der viele dazu neigen, sich an Dritte oder gleich an die globalisierte Medienwelt zu richten und dort über Schwächen oder Fehler der Anderen zu herzuziehen oder diese durch Cybermobbing zu vernichten.

Umgekehrt kann jede und jeder dazu beitragen, „Aussatz“ zu heilen.

Stefan-Bernhard Eirich, Bundespräses der KAB Deutschlands

 

 

[i]www.youtube.com/watch

[ii]dserver.bundestag.de/btp/19/19048.pdf

[iii]wp.bibelwerk.ch/wp-content/uploads/2021/01/5-B-So-L1-6.-So-i.J.-Lev-131-2.43ac.44ab.45-46.pdf