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Ihr schmeckt’s nicht – Ein Nachklang zu Fronleichnam 2023

Ja richtig: der Titel scheint falsch zitiert. Er müsste korrekt „Maria, ihm schmeckt’s nicht“ lauten. Im gleichnamigen Roman von Jan Weiler aus dem Jahr 2003 spielt der Geschmack am gemeinsamen (!) Essen, aber auch die damit verbundenen Fremdheitserfahrungen und Vorurteile eine zentrale Rolle. Der zentrale Moment für den „Culture-Clash“ zwischen süditalienischer Lebensfreude und reservierter deutscher „Befindlichkeitspflege“ ist natürlich das Essen und das Ausdrucksmittel für das deutsch-italienische Anderssein. In der filmischen Umsetzung durch die Regisseurin Neele Leana Vollmar sitzt der Hauptdarsteller Jan mit den vielen nervigen Verwandten seiner italienischen Verlobten, die ständig laut und quirlig durcheinander quasseln, stundenlang beim Mittagessen und muss sich ständig gegen die ihm aufgedrängten Meeresfrüchte wehren. Sie schmecken ihm nicht, weil er auf Muscheln & Co allergisch reagiert. Aber das interessiert keinen am Tisch, denn viel wichtiger ist das Essen in Gemeinschaft und die gemeinsame Freude an heimischen Köstlichkeiten. Und so versuchen ihn die teilweise schrullig überzeichneten älteren Damen in der italienischen Sippschaft regelrecht zu mästen.

 

Geschmack an Gott finden

Auch an Fronleichnam ist viel vom Geschmack die Rede wie – ungewollt – von einem nicht weniger heftigen Zusammenstoß der Kulturen. Selbst in katholisch geprägten Dörfern löst die Prozession mit der Monstranz in der Mitte „unterm Himmel“ zunehmend Befremden aus. Dieses steigert sich, wenn dann (wie recht oft in den entsprechenden Festtagspredigten) dringend empfohlen wird, sich neu auf die Eucharistie einzulassen und so wieder Geschmack an Gott zu finden. Nach wie vor gilt es im Kontext dieser Art von Ansprachen als unhinterfragt, dass die Kirche ein besonderer Ort für jene Menschen sei, die unter der Oberfläche der Konsumgesellschaft im Sinne von Lebenstiefe nach dem besonderen Geschmack suchen und sich nicht abspeisen lassen wollen mit den „Fertiggerichten dieser Welt“. Genau hier liegt das Problem. Köstliche Speisen kann nur der Koch, nur die Köchin auf den Tisch bringen, der selber eine Freude an schmackhaftem Essen hat. In diesem Sinn muss vor allem die Kirche (gemeint ist hier zuerst ihre sichtbar in der Öffentlichkeit auftretende Repräsentanz) glaubhaft zeigen, dass sie immer noch bzw. wieder Geschmack an der Welt hat. Seit längerem erweckt sie jedoch einen gegenteiligen Eindruck. Sie sitzt eher unbeteiligt am Tisch der Gesellschaft. Wenn aus dieser heraus überhaupt noch Kommentare kommen, dann lassen sich diese mit „ihr schmeckt’s nicht!“ zusammenfassen.

So nehmen es zumindest die meisten Menschen in unserem Land wahr. Abgesehen von sehr gelegentlichen Wortmeldungen zur Spaltung der Gesellschaft, Inflation und der weiteren Eskalation des russischen Kriegs gegen die Ukraine, scheint die kirchliche Repräsentanten und Repräsentantinnen überwiegend mit der Sorge um sich selbst bzw. ihren Allergien beschäftigt zu sein. Der eigene Bedeutungsverlust und der sich abzeichnende Einbruch bei den Kirchensteuereinnahmen sind offensichtlich die eigentlich wichtigen Themen, vom Streit über die Finanzierung der Fortsetzung des Synodalen Wegs ganz zu schweigen. Für ihr Überleben aber ist die Kirche darauf angewiesen, dass sie den Geschmack an der Welt wiederfindet. Nichts anderes mein das Zweite Vatikanische Konzil, wenn von der „Freude und Hoffnung“ wie der „Trauer und Angst der Menschen von heute“ spricht.

 

Keine Speise, die mir schmeckt

Fronleichnam 2023: anders als in Weilers erfolgreichem Romanerstling zeichnet sich für eine Kirche, der die Welt nicht schmeckt, kein Happy end ab. Es droht eher eine Entwicklung, die an das Ende in Franz Kafkas Kurzgeschichte bzw. Parabel „Ein Hungerkünstler“ erinnert. Dieser erklärt mit letztem Atem den Grund für seine von den Menschen längst nicht mehr beachtete Kunst weitgehenden Nahrungsverzichts wie folgt: „ich kann nicht anders …, weil ich nicht die Speise finden konnte, die mir schmeckt.“[i] Ganz anders Gott! Er findet so viel Geschmack an und in dieser Welt, dass er für seine Gegenwart in ihr das Brot zum Zeichen erwählt und damit sagt: ich finde Geschmack an euch und will mit euch die durch dieses Brot bezeichnete Gemeinschaft leben. Ihm schmeckt’s!

 

[i] Zit. nach: www.projekt-gutenberg.org/kafka/erzaehlg/chap020.html

Stefan-Bernhard Eirich, Bundespräses der KAB Deutschlands