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„Unser Kreuz hat keine Haken“ – Nachklang zum Nikolaus-Groß-Tag 2024

„Unser Kreuz hat keine Haken“. So haben es 2008 evangelische Jugendliche in Lüneburg formuliert und sich damit mutig gegen das rechtsextreme Gedankengut gestellt, das sich als Folge der globalen Finanzkrise europaweit auszubreiten beganni. „Unser Kreuz hat keine Haken“: dem Sinn nach passt diese Überschrift auch bestens zur christlichen Grundüberzeugung und zum Kampf, den Nikolaus Groß als Schriftleiter der Westdeutschen Arbeiterzeitung sowie seine Mitstreiter Bernhard Letterhaus und Otto Müller beginnend in der krisenhaften Spätzeit der Weimarer Republik gegen den erstarkenden Nationalsozialismus geführt haben.

Mit dem Instinkt des Evangeliums auf die Zeichen der Zeit achten

„Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ Groß und seine Mitstreiter übersetzen durch ihre Haltung und ihr Wirken diesen Appell Jesu zu Beginn seines Wirkens in die Zerrissenheit ihrer Zeit hinein. Die Dringlichkeit und Klarheit, mit der sie sich an die KAB und die Arbeiterinnen und Arbeiter in Deutschland wenden und für die tödlich gefährdete Demokratie werben, zeigt, dass sie den eigentlichen, den wortwörtlichen Sinn des biblischen Begriffes „Umkehr“ tief verinnerlicht haben. Umkehr bedeutet im griechischen Original des Evangeliums zuerst „neu-erkennen“. Aus seinem Verständnis der Frohen Botschaft ruft Nikolaus Groß uns Heutigen zu: „Schaut mit dem Instinkt des Evangeliums konsequent hin und duckt euch nicht weg in einer aufgewühlten Zeit! Achtet genau auf eure Ängste und die eurer Mitmenschen und habt die im Blick, die das Geschäft von Furcht und Verunsicherung betreiben und daraus wohlfeilen politischen Nutzen ziehen. Hört hin und nehmt wahr, wie in eurem Sprachgebrauch Unsägliches auf einmal sagbar und alltäglich wird und sich so die menschenverachtende Ideologie der Ungleichwertig erneut ausbreitet!“

„Schaut und hört genau hin!“ Was wird denn bezweckt, wenn man die Dinge nicht beim klaren Namen nennt, sondern eine diffuse, unaufgeregt anmutende Begrifflichkeit verwendet? Muss denn ein Begriff erst zum „Unwort des Jahres“ gekürt werden, um klar zu machen, was er verschleiert? Die Ideologie eines „Wir“ gegen „die da“ mit dem am Ende willkürlichen Aussortieren von Millionen von Menschen und deren Deportation.

Für das Grundgesetz auf die Straße gehen

Aber Empörung allein genügt nicht in einer Zeit, in der Aufregung sowieso als Normalzustand betrachtet wird und jeder, der nicht schreit, als scheintot gilt. Es braucht gerade in Verbänden wie der KAB jeden Tag neu ein kräftiges und dankbares Ein- und Auftreten für das unendlich wertvolle Gut, das unser Grundgesetz darstellt. Hierbei ist die Überalterung unseres Verbands einmal von Vorteil. Vielen von uns müsste doch zumindest aus den Erzählungen ihrer Eltern klar sein, wie es ist, ohne die Grundrechte zu leben. Mehr noch: Bei den Grundrechten geht es sehr schnell um unseren Glauben, denn diese knüpfen vielfach an die Gedanken der christlich-jüdischen Tradition an. Aber auch umgekehrt haben die Grundrechte in Vergangenheit und Gegenwart einen großen Einfluss auf unser Menschenbild und unser Verständnis des Zusammenlebens. Unser Glaube wäre ohne sie nicht nur anders, sondern ärmer. Besser als mit dem Grundgesetz und seinen Werten können wir es doch nicht mehr bekommen! Auf dieser Basis lässt sich die Frohe Botschaft bestens mit Leben erfüllen: mit dem Gottesbezug in der Präambel, bei der Devise „Eigentum verpflichtet“, bei der Sicherung des Friedens und der ernsthaften Bereitschaft, Verfolgten adäquaten Schutz zu gewähren. Für die konsequente Gültigkeit von Grundgesetz und Grundrechten auf die Straße zu gehen, für die Demokratie zu werben und sich auf den realen wie auch digitalen Marktplätzen dafür stark zu machen, - das ist gelebter Glaube, das ist Glaubensverkündigung. Sicher, wir sind nur ein kleiner Akteur unter vielen anderen. Doch davon hängt die Bedeutung unseres Auftretens nicht ab: wir müssen in und mit unserer Kirche deutlich im Gesamtchor derer zu vernehmen sein, die entschieden für Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und die Würde aller Menschen als Personen eintreten.

Und der selige Nikolaus Groß steht an unserer Seite, denn sein und unser Kreuz hat keine Haken.

Stefan-Bernhard Eirich, Bundespräses der KAB Deutschlands

i Der Text findet sich unter www.fachstelle-gottesdienst.de/fileadmin/mediapool/gemeinden/E_fachstellegottesdienstneu/Informationen_zum_Gottesdienst/Gottesdienst_gestalten/Menschenrechte_Antirassismus/02_Die_Arbeitshilfe_pdf_Datei.pdf