In seiner Eröffnungsrede erinnerte Hermann Van Rompuy, Präsident des Europäischen Rates an den „Erfinder“ des Europäischen Sozialmodells, Jacques Delors, der, geprägt durch die französische Christliche Arbeiterjugend als katholischer Gewerkschaftler, erfolgreicher Bankmanager und sozialistischer Politiker, schließlich von 1985 bis 1994 als Präsident der Europäischen Kommission maßgeblich die europäische Politik jener Zeit mitgeprägt hat.
Differenzierter Wachstumsbegriff
Der erste Teil des Kongresses mit 20 Expertenvorträgen untersuchte die Frage, wie ein Europäisches Sozialmodell beschaffen sein muss, damit es Solidarität und Partizipation ermöglicht. So plädierte der Direktor des Oswald von Nell-Breuning-Instituts , Prof. Bernhard Emunds, in seiner Analyse für ein Europa der Koordination und des soziales Ausgleichs, also einer Transferunion, die jedoch demokratisch legitimiert sein müsse. Europa brauche zudem einen differenzierten Wachstumsbegriff, denn z.B. Ressourcen und Energie müssten reduziert werden, während z.B. die Arbeitszeitverkürzung weiter geführt und öffentliche Güter ausgebaut werden müssten.
Diese Vorstellungen wurden von der belgischen Professorin Bea Cantillon von der Universität Antwerpen ergänzt, in dem Sie einen europäisch definierten Mindestlohn und soziale Mindeststandards in Europa forderte.
Globale Verantwortung
In einem zweiten Teil der Veranstaltung stand die Frage nach einem neuen, kooperativen Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Betrieb, dessen Realisierungschancen durch einige Unternehmensbeispiele belegt werden konnte. Der dritte Themenkomplex widmete sich schließlich dem Thema einer nachhaltigen Entwicklung Europas in der Welt und der Frage nach der globalen Verantwortung. Gefragt wurde nach den individuellen und gemeinsamen Optionen im Kontext der Menschenrechte auf allen Kontinenten, mit den Anforderungen zur Bekämpfung des Klimawandels und den ethischen Ansprüchen bezüglich der weltweiten Solidarität.
So betonte der Wiener Prof. Paul Zulehner die Tradition der christlichen Sozialethik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, wie es Papst Franziskus jüngst in seinem apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium eingefordert hat. Zulehners Untersuchungen zeigen, dass es eine hohe Bereitschaft der Menschen zur Solidarität gibt, diese jedoch auf dem Weg der praktischen Umsetzung verkümmert. Ein Grund dafür ist die Angst. Solidarität und die Veränderung des Lebensstils im Sinne von Nachhaltigkeit erfordert also Risikobereitschaft.
Weitere Informationen: www.esw5.eu