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„Danke, Thomas!“ – Anklang zum 2. Sonntag der Osterzeit 2025

Kaum eine Chance auf Heiligsprechung

Wie die anderen Apostel gilt auch er schon allein durch seine unmittelbare Nähe zu Jesus als Heiliger.

Dies klingt jedoch selbstverständlicher als es in Wahrheit ist, denn Thomas wird im Johannesevangelium als schwieriger Charakter geschildert, der die Aussagen Jesu wiederholt mit unbequemen Fragen gekontert oder defätistischen Spontanäußerungen in ein seltsames Licht gerückt hat. Und dann auch noch die „Nummer“ mit dem Auferstandenen (von ihr handelt das Sonntagsevangelium), die ihm den wenig schmeichelhaften Beinamen „der Zweifler“ eingebracht hat. Bei einem ordentlichen Heiligsprechungsverfahren wäre er wahrscheinlich schon in der ersten Instanz hängen geblieben.

Der vorbildliche Zweifler und seine Feinde

Spätestens seit dem zweiten Regierungsantritt von Donald Trump aber sollten wir ihn ausdrücklich noch einmal „zur Ehre der Altäre erheben“ und als Patron aller ausrufen, die versuchen, erhobenen Hauptes und mit reinem Gewissen durch das anhebende Zeitalter der neuen Diktatoren und Autokraten zu kommen. Seine skeptisch-kritische Haltung ist die Tugend, die wir brauchen. Sein Vorbild mahnt uns zu lebendiger Wachsamkeit und intellektueller Redlichkeit. Uns, die wir in gigantischen Informationsblasen leben müssen und durch fake-news, manipulierende Mitteilungen und Nachrichten in Dauerschleife überschüttet werden. Doch nicht nur Trump, Putin & Co, sondern auch eine Unzahl von willfährigen Meinungsmachern und Influencerinnen, verkaufen uns kritische Menschen nach dem Schlag eines Thomas als problematische Charaktere und Miesmacher, ja als Systemfeinde.

Aber war dies denn in der Kirche vor dem zweiten Vatikanischen Konzil und in manchen, z.B. deutschen Bistümern noch lange Jahrzehnte danach allzu anders? Der Umgang mit kritisch nachfragenden Theologinnen und Theologen, freimütig auftretenden Pfarrern und Bischöfen spricht m.E. eine eindeutige Sprache. Ob sie nun wie Küng, Cardenal und Gaillot eine gewisse Berühmtheit erlangten oder unbekannt blieben: wer laut nachfragte bzw. vernehmbar „anders dachte“ und nicht auf Linie gebracht werden konnte, wurde aussortiert.

Der neue Umgang mit Kritikern

In unserer Gegenwart bekommt nun die Kirche die historische Chance, sich durch einen veränderten Umgang mit den „Thomas-Menschen“ in ihren Reihen als Hoffnungsort und Leuchtturm inmitten einer von wachsender Gleichschaltung und Gesinnungskontrolle geprägten Welt zu etablieren. Angefangen vom Kardinalskollegium und den Bischofskonferenzen bis hin zu den Pfarreien und Verbänden – entscheidend ist, ob ein „Thomas“ ausdrücklich willkommen ist und als Gewinn wahrgenommen wird. Einer, der viele unbequeme Fragen stellt, der anders denkt und tickt, einer, der zugleich neue Sichtweisen und Ideen einbringt und ausgeleierte Denk- und Handlungsschemata als solche benennt.

Wie kann der Umgang mit den „Thomassen“ in der Kirche zum Hoffnungszeichen werden? Ein wichtiger Anhaltspunkt zeigt sich für mich im Verhalten der übrigen Jünger. Sie haben damals den Thomas wieder aufgenommen, ihm die Türen geöffnet, obwohl er bewusst einen eigenen Weg im Umgang mit seiner Angst und Trauer nach dem Tod Jesu eingeschlagen hatte. Sie geben ihm den Raum, den er braucht und ertragen seine Skepsis. Bereits zu Beginn seiner Geschichte erweist sich damit das Christentum als eine Religion, die auch für unbequeme Fragesteller und Zweiflerinnen Platz hat. In ihren Glanzzeiten hat unsere Glaubensgemeinschaft voll Dankbarkeit begriffen, dass deren Kritik und Nachfragen notwendige Korrekturen bewirken und neue Perspektiven eröffnen kann.

Danke, Franziskus!

Einer dieser Menschen war Papst Franziskus, dessen im wahrsten Sinn des Wortes unorthodoxe Herangehensweisen und hartnäckiges Beharren auf tabuisierten Kritikpunkten für die Kirche ein Geschenk sondergleichen war und ist. Daher gilt an diesem Sonntag unser Dank nicht nur dem Apostel Thomas und all den „Thomassen“ nach ihm, sondern auch Jorge Mario Bergoglio.

Danke, Thomas! Danke, Franziskus!

Stefan-Bernhard Eirich, Bundespräses der KAB Deutschlands