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Maria Magdalena im Krankenhaus – Anklang zum Osterfest 2025

Welche persönliche Bedeutung hat Ostern für Sie? Mir fällt die Antwort auf diese Frage nicht immer leicht.

Natürlich gehöre ich allein schon aus beruflichen Gründen zu den immerhin noch 26% der Deutschen, die mit diesem Festtag den Tod und die Auferstehung Jesu Christi in Verbindung bringen. Aber dieses Wissen wäre belanglos, gäbe es in meinem Leben nicht immer wieder Menschen, die mich mit ihrem Leben und Wirken davon überzeugen, dass der Tod schon hier und heute nicht das letzte Wort hat. Diese hundertprozentigen Osterzeuginnen und Osterzeugen müssen nicht einmal selber gläubige Menschen sein.

„Heldin“ – Ein Osterfilm

Einer von ihnen bin ich kürzlich auf der Kinoleinwand im Film „Heldin“ von Petra Volpe begegnet. In ihrem neuesten Streifen schildert die Schweizer Filmemacherin mit großer Glaubwürdigkeit und stiller erzählerischer Wucht am Beispiel einer Spätschicht den ganz „normalen“ Alltag einer „normalen“ Pflegekraft in einem „normalen“ Krankenhaus. Dabei ist dort überhaupt nichts „normal“ für die Krankenschwester Floria (Leonie Benesch), die auf einer chronisch unterbesetzten Station für 25 Schwerstkranke die Verantwortung trägt. Dennoch ist von Anfang an zu spüren, wie sehr diese Frau ihren gesellschaftlich wenig angesehenen Beruf und die ihr anvertrauten Menschen liebt. Schon während der ersten Minuten ihrer Arbeit machen sich die auf ihren Schultern lastende Verantwortung und der Stress, dem sie ausgesetzt ist, im Zuschauerraum breit. Atemlos folgen ihr die Augen von uns Kinobesucherinnen und - besuchern von Zimmer zu Zimmer, erleben wir, wie sie bei ihrer Kontrollrunde immer wieder durch das Läuten des Diensttelefons aus zumeist lebenserhaltenden Verrichtungen herausgeholt wird. Ratlose, teilweise wütende Angehörige fangen sie regelrecht ab, weil niemand sonst vom Personal greifbar ist. Der einzige Privatpatient schikaniert sie mit lächerlicher Arroganz und droht ihr mit Dienstaufsichtsbeschwerden. Die „Heldin“ leistet Multitasking im Endstadium! Sie rennt buchstäblich von einer höchsten Not zur nächsten höchsten Not, und je sinnloser eine Lage ist, desto eigensinniger bäumen sich die Betroffenen dagegen auf.

Karfreitagsalltag

Mich erinnert Floria an jene Handvoll Frauen, darunter Maria Magdalena, die den Kreuzweg Jesu mitgehen, sich unter seinem Kreuz im wahrsten Sinn des Wortes dem unendlichen Leid seines qualvollen Sterbens stellen und dieses lindern wollen. Zu Beginn ihrer Schicht erhält die Hauptdarstellerin von ihrem Kollegen einen kurzen Bericht über den zumeist lebensbedrohlichen Zustand der Patientinnen und Patienten. Hinter jeder Tür, die sie in der Folge öffnet, liegt ein anderes Schicksal. Jede und jeder Kranke ist gefangen in der Unbedingtheit des eigenen Leidens, der eigenen Ängste, ohne Gedanken oder Gefühle für die Schicksale direkt nebenan. Genauso die anwesenden Angehörigen. Die einzelnen Zimmer haben in diesem Sinn etwas von den Stationen eines Kreuzwegs, - mit dem Unterschied, dass jede und jeder der Betroffenen sein eigenes Kreuz trägt. Floria ist zwischen diesen Orten alles zugleich: Simon von Cyrene, der mitträgt; Veronika, die das Schweißtuch reicht; Teil der weinenden Frauen. Schlüsselszenen des Films zeigen, wie sie voller Empathie auf die sehr verschiedenen Leidensszenarien eingeht: auf die Ratlosigkeit der Tochter des sterbend dahinsiechenden Vaters, auf die entsetzliche psychische Belastung der totgeweihten krebskranken jungen Mutter oder auf die Einsamkeit des alten Mannes, dem die zuständige, völlig erschöpfte Ärztin den klärenden Befund vorenthält. In diesen und weiteren Momenten erscheint Floria wie eine letzte, durchaus erschütterbare Bastion unbedingt gelebter Menschlichkeit.

Österliches Feuer

In der Osternacht erzählt das Lukasevangelium davon, dass Maria Magdalena mit den anderen Frauen des Kreuzwegs am ersten Tag der Woche in aller Frühe zum Grab kam, um den Leichnam Jesu zu salben. In einer der berührendsten Szenen bettet Floria eine gerade verstorbene Frau für die ebenso fassungslosen wie wütenden Angehörigen auf und kümmert sich mit liebevoller Aufmerksamkeit um jedes Detail. Die tiefe Achtung, die sie der Würde der ihr anvertrauten Menschen schenkt, bringen ein unerwartetes, ja österliches Licht in die Todeszone der Maschinerie ihres Krankenhauses. Auch noch weit über den Tod hinaus. Es sind diese Gesten einer in diesem Kontext nicht erwartbaren herzlichen, ja grundmenschlichen Zuwendung und das Feuer, mit dem Floria für ihren Beruf brennt, die diesen Film zu einem „Osterfilm“ machen. Diese Krankenschwester bezeugt für mich, dass in jedem Kampf für und um das Leben und dessen Würde vor dem Tod, das österliche Leben des Auferstandenen aufscheint. Dieses Ringen ist wahrhaft heldenhaft, findet es doch im Rahmen eines politisch gewollten Systems statt, das die Kosteneffizienz anstatt der Gesundheit und Würde der Kranken als oberste Maxime ausgegeben hat. Mit ihrem brennenden Herzen gehört Floria zu den Ausnahmeexistenzen, die so etwas sind wie die Garanten einer österlichen Hoffnung inmitten selbstherrlicher Akteure, deren absurdes, machtgeiles Handeln immer mehr Menschen in die Verzweiflung stürzt.

Es sind diese brennenden Menschen vom Schlag einer Floria, die mein Verständnis von Ostern tragen. Aber wie präge ich das Osterverständnis anderer Menschen? Was tragen Sie zur Bedeutung des Festes bei, das den Sieg des Lebens im Irrsinn unserer Zeit feiert?

Stefan-Bernhard Eirich, Bundespräses der KAB Deutschlands