Köln, 13. Oktober 2022. In ihren Stellungnahmen nach der letzten Vollversammlung des „Synodalen Weges“ hatten dessen Spitzenvertreterinnen und -vertreter der Öffentlichkeit kaum etwas von gesellschaftlicher Bedeutung zu sagen. Glücklicherweise spielt die KAB in diesem Kontext nur eine marginale Rolle. Ich begreife dies als Chance. So hat unser Verband den nötigen Freiraum, um von den Synodenmitgliedern, vor allem aber von der Bischofskonferenz entscheidend mehr Aufmerksamkeit und tatkräftiges Agieren in den gesellschaftlichen Brandthemen wie Inflation, Spaltung der Gesellschaft und dem Überlebenskampf der sogenannten „kleinen Leute“ zu fordern. Dafür muss die KAB auf allen Ebenen noch viel lauter werden und gleichzeitig mit einem guten Beispiel vorangehen. Wenn nicht wir, wer denn sonst in der Kirche?
In Anlehnung an den Bestseller des ehemaligen französischen Widerstandskämpfers Stéphane Hessel aus dem Jahr 2010, „Empört euch“, worin er die Unkultur des „Ohne-mich“ als Ursache einer weit verbreiteten gesellschaftlichen Gleichgültigkeit brandmarkt, steht es für uns an, gegen die derzeit in der (Amts)Kirche grassierende Wahrnehmungstrübung für die sozialen Verwerfungen der Gegenwart anzugehen. Seit Jahren hängt an der Kirchentür das Schild „Vorübergehend geschlossen“. „Vorübergehend geschlossen“ wegen der sich ewig hinziehenden Innenrenovierung, wegen Konzeptlosigkeit, wegen Personalmangel und immer öfter wegen „Mangelpersonal“. Hessel stellt fest, die weit verbreitete Unkultur des „Ohne mich“ ist das Schlimmste, was man sich und der Welt antun kann. Als KAB können wir ergänzen: das „Vorübergehend geschlossen“ einer im Reformstau mit sich selbst beschäftigten Kirche ist das Schlimmste, was diese sich selbst und der Gesellschaft antun kann.
Das Fatale an den an und für sich wichtigen Reformanliegen des Synodalen Weg ist es, dass deren Hauptinteresse, ja Hauptziel darin besteht, die Kirche selbst wieder interessant machen zu wollen. So als sei die Kirche selbst der Zweck. Dabei geht es um ihren Daseinszweck! Wir sind als Kirche am Ende nur interessant, wenn wir unser Interesse bewusst auf die „Trauer und Angst der Menschen von heute“ fokussieren: auf ihre Entwürdigung durch die vielfältigen Formen prekärer Arbeit, auf die Bedrohung durch Altersarmut, auf die teils groben, teils subtilen Spielarten permanenter Dauerausbeutung. Wenigstens in und durch unseren Verband sollte die Kirche Plattform und Sprachrohr für diese Menschen sein, die gesellschaftlich betrachtet mundtot sind und denen man nichts mehr zutrat.
„Vorübergehend geschlossen“? Wir, die KAB, haben für diese Menschen geöffnet! Halten wir den Laden offen!
Stefan-B. Eirich, Bundespräses der KAB Deutschlands