Die Anfänge
Die KAB entstand als Zusammenschluss von Arbeitervereinen, die sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts als Bildungs- und Selbsthilfevereine konstituierten. 1849 gründete sich der erste Arbeiterverein u.a. als Unterstützungskasse in Regensburg. Ab 1860 entstanden die christlich-sozialen Vereine, die angesichts der „sozialen Frage“ gleiche politische, soziale und gesellschaftliche Rechte für die Arbeiterinnen und Arbeiter einforderten. Mit ca. 22.000 Mitgliedern im Jahre 1872 waren diese Vereine zusammengenommen die mitgliederstärkste Arbeiterorganisation in Deutschland.
Wilhelm Emmanuel von Ketteler
Einer der großen Förderer von Zusammenschlüssen der Arbeiterschaft war der Mainzer „Arbeiterbischof“ Wilhelm Emmanuel von Ketteler, der sich bereits als junger Priester in seinen Adventspredigten 1848 im Mainzer Dom mit der sozialen Frage auseinander gesetzt hatte. Entgegen dem kirchlichen Zeitgeist, die Notlage der Arbeiterschaft ausschließlich durch Caritas zu beseitigen, setzte Bischof Ketteler auch auf eine aktive Interessenvertretung der Arbeiterschaft.
Der Aufbruch
Durch den Kulturkampf und die Sozialistengesetze in den 1870er Jahren mussten die Arbeitervereine in weiten Teilen ihre Arbeit einstellen. Ausgehend vom Katholikentag 1884 in Amberg verbreitete sich jedoch eine innerkirchliche Aufbruchsstimmung, die zur Neugründung zahlreicher pfarrlich organisierter katholischer Arbeitervereine beitrug. Förderer und Gründer dieser Vereine waren oftmals volksverbundene und mit dem Schicksal der Arbeiterschaft vertraute junge Geistliche, die sogenannten „Roten Kapläne“.
Am Ende des 19. Jahrhunderts werden unter ihrer Leitung auch zahlreiche Arbeiterinnenvereine ins Leben gerufen. Nicht zuletzt sollten die Arbeiterinnenvereine und Arbeitervereine durch sittlich-religiöse Erneuerung und Bildungsarbeit ihre Mitglieder vor der „sozialistischen Ideologie“ schützen und einen wirksamen Beitrag gegen die aufstrebende Sozialdemokratie leisten.
Die Zusammenschlüsse
Am Ende des 19. Jahrhundert schlossen sich mehr und mehr katholische Arbeitervereine überregional zusammen. Am 12. Oktober 1891 erfolgte im süddeutschen Raum der Zusammenschluss zum „Verband Süddeutscher Katholischer Arbeitervereine“. 1894 umfasste der Verband in Süddeutschland 56 Vereine und 11.625 Mitglieder, zur Jahrhundertwende bereits 372 Vereine und 58.239 Mitglieder.
Allmählich verfestigte sich auch die Organisationsstruktur:
Sitz des Verbandes wurde München, es entstanden Diözesan- und Bezirksverbände als Untergliederungen. Die Arbeitervereine in Mittel- und Ostdeutschland sowie in der Diözese Trier schließen sich 1897 im Verband der katholischen Arbeitervereine „Sitz Berlin“ zusammen.
1903 markiert das Gründungsjahr des „Westdeutschen Verbandes der katholischen Arbeiter-, Arbeiterinnen- und Knappenvereine“, der bis zum Einzug ins Kettelerhaus in Köln im Jahre 1928 seinen Sitz im Volksvereinshaus in Mönchengladbach nimmt. Der westdeutsche Verband umfasste die Diözesanverbände Köln, Paderborn, Münster, Osnabrück, Hildesheim, Limburg, Mainz und Fulda. 1912 organisieren sich in den 1.041 Vereinen mit ihren 189.849 Mitgliedern in erster Linie Industriearbeiter, zumeist aus der Großindustrie.
Der Diösesanverband Kulm und der Bezirksverband Neiße in Schlesien bilden 1910 den „Verband ostdeutscher katholischer Arbeitervereine“ mit Sitz in Neiße. Am 7. August 1911 gründen die Regionalverbände Süd-, West- und Ostdeutschlands den „Kartellverband der Katholischen Arbeitervereine“. Die Arbeitervereine „Sitz Berlin“ sind aufgrund der heftigen Auseinandersetzung im „Gewerkschaftsstreit“ nicht im Kartellverband vertreten.
In ganz Deutschland existierten 1912 ca. 3.300 Arbeitervereine mit ca. 450.000 Mitgliedern.
Der erste Weltkrieg
Während des Ersten Weltkrieges wurden viele Mitglieder der Arbeitervereine einberufen. Alle Vereine hatten Tote zu beklagen. Die regelmäßigen Vereinsversammlungen begannen mit der Verlesung der gefallenen Mitglieder und einem Gedenken. Die Arbeit beschränkte sich so während des Weltkrieges weitgehend auf das Aufrechterhalten der Vereinsarbeit mit den verbliebenen Mitgliedern. Viele Vereine richteten sogenannte „Notkassen“ ein.
Da gerade die Arbeiterschaft überproportional hohe „Gefallenenzahlen“ zu verzeichnen hatte – die KAB verlor in den Kriegsjahren allein 1/3 ihrer Mitglieder –, wurde auch in den katholischen Arbeitervereinen bereits vor Ende des Krieges der Ruf nach Frieden immer lauter.
Die Weimarer Republik
Die Zusammenarbeit der Regionalverbände, die den „Kartellverband der katholischen Arbeiter- und Arbeiterinnenvereine Deutschlands“ bildeten, konnte 1921 durch das „Würzburger Programm“ auf eine gemeinsame programmatische Grundlage gestellt werden. In ihm kam sowohl die Kontinuität als auch der Erneuerungswille der katholischen Arbeiterbewegung zum Ausdruck. Das „Würzburger Programm“ formulierte die beiden programmatischen Grundpfeiler der KAB: geistige, soziale und materielle Hebung der Arbeiterschaft sowie Wirtschafts- und Sozialreform. Zielsetzung war die „Standwerdung“ der Arbeiterschaft.
Zahlreiche Sozialreformen der Weimarer Republik wurden maßgeblich durch Repräsentanten der KAB erarbeitet und durchgesetzt. Im Anschluss an das „Würzburger Programm“ von 1921 wurden die Bemühungen fortgesetzt, eine möglichst nach einheitlichen Richtlinien aufgebaute katholische Arbeiterbewegung in Deutschland zu erreichen. Im Juni 1927 kam es deshalb in Koblenz zur Gründung des „Reichsverbandes der katholischen Arbeiter- und Arbeiterinnenvereine Deutschlands“.
"Magna Charta" der KAB - Würzburger Programm
Antwort auf fast alle Fragen – das erste gemeinsame Grundsatzprogramm der KAB feiert hundertsten Geburtstag
Vor genau hundert Jahren kamen im Mai 1921 die Regionalverbände der KAB mit Sitz in Köln, München, Berlin und dem damals niederschlesischen Neiße in Würzburg zu einem ersten deutschlandweiten Verbandstag zusammen. Diese Versammlung fand inmitten der Wirren der ersten Jahre der Weimarer Republik statt. Vor dem Hintergrund der astronomischen Reparationszahlungen, die für den verlorenen Krieg an die Siegermächte zu zahlen waren, der Besetzung des Ruhrgebiets durch Frankreich und fortdauernder gewalttätiger Unruhen im ganzen Land suchte die Katholische Arbeitnehmerbewegung nach ihrem Platz in der jungen deutschen Demokratie. Allen Beteiligten war klar, dass die bisherige Aufsplitterung des Verbandes in sehr unterschiedliche und teilweise widersprüchliche Regional- und Richtungsinteressen überwunden werden musste. Daher standen die Beratungen über ein erstes gemeinsames Grundsatzprogramm im Mittelpunkt. Rückblickend wurde deren Ergebnis mit dem Ehrentitel „Magna Charta“ der KAB versehen.
Aus heutiger Sicht überrascht der Weitblick, mit dem sich die damaligen Delegierten den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen ihrer Zeit zugewandt haben. Mit dem sicheren Blick für die großen Zusammenhänge fordern sie unter anderem eine Wirtschaftsordnung, die dem wirtschaftlichen und „geistlich-sittlichen“ Gemeinwohl verpflichtet ist. Sie plädieren für die notwendige Sozialisierung einzelner Branchen im Bereich der Grundversorgung, um unsoziale Monopolbildungen auszuschließen. Genauso finden sich „Klassiker“ wie die Betonung des personalen Charakters der Arbeit und deren gerechte Entlohnung in Form eines „kulturellen Existenzminimums“ und die Eigentumsbildung in Arbeiterhand. Mit Blick auf die Kirche unterstreichen die Beteiligten die grundlegende Bedeutung der christlichen Glaubens- und Sittenlehre für ihr Handeln.
Maßgeblich hatte der spätere KAB-Bekenner und Märtyrer Prälat Otto Müller an diesem Programm mitgeschrieben. Stolz stellt er am 7. Mai 1921 fest: „Hier wurden zu allen wichtigen Fragen, nicht bloß zu denen des wirtschaftlichen Lebens, sondern auch des kulturellen […] und des staatlichen und selbstredend auch des religiösen die Anschauungen und Ziele einer Katholischen Arbeiter-Bewegung ausgesprochen.“ (Ketteler-Wacht 1971-4,4). Aus heutiger Sicht befremdet der deutsch-nationale Pathos des Textes und das exklusive Plädoyer für die Zentrumspartei als politischem Partner. Dies führte kurz- und langfristig zu eine schnellen Einsortierung der katholischen Arbeitervereine in die entsprechenden Schubladen, die noch weit die Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg die Eigen- und Fremdwahrnehmung prägen sollte.
Wie dem auch sei. Trotz seiner vielversprechenden Ansätze konnte sich das „Würzburger Programm“ nicht wirklich durchsetzen. Dies lag zum einen am noch lange in der KAB föderalen Auseinanderstreben, zum anderen aber an der schnell an Dramatik zunehmenden wirtschaftlichen und politischen Krise der Weimarer Republik. Beispielhaft stand Prälat Müller wenige Jahre später ganz im Zeichen eines verzweifelten Abwehrkampfs gegen die nationalsozialistische Bedrohung. Hierfür verdient die KAB noch mehr Anerkennung als für ihren ersten großen gemeinsamen Entwurf eines zukunftweisenden Programms.
KAB verboten
Mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus begann die Zerschlagung der KAB. Die Vereine wurden nach 1933 zum Teil verboten und aufgelöst. Nur im Schutze der gemeindlichen Arbeit und durch eine Beschränkung auf rein religiöse Anliegen war es an einigen Stellen möglich, die Arbeit weiterzuführen. 1938 wurde das Verbandsorgan „Ketteler Wacht“ verboten.
Mitte der 1930er Jahre fanden im Kettelerhaus in Köln konspirative Treffen statt. Die Mitglieder dieser Treffen standen in Verbindung mit dem Widerstandskreis, der das Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 vorbereitete. Im Rahmen der sogenannten Aktion »Gewitter« wurden die meisten Mitglieder des Kreises im August 1944 von der Gestapo verhaftet und zunächst in der Deutzer Messe oder im EL-DE-Haus inhaftiert. Einige von ihnen, wie Nikolaus Groß und Bernhard Letterhaus, wurden nach einer Verurteilung durch den Volksgerichtshof hingerichtet, andere in Konzentrationslager verschleppt und dort ermordet.
Zahlreiche weitere Mitglieder waren dem nationalsozialistischen Terror ausgesetzt, wurden verhaftet und hingerichtet. Das Eigentum der katholischen Arbeiterbewegung wurde eingezogen und der „Deutschen Arbeitsfront“ einverleibt oder zerstört.
Neuanfang und Konsolidierung
Bereits im Jahre 1945 begann die Wiederaufbauarbeit der Bewegung im späteren westdeutschen Teil Deutschlands. 1947 fand der erste Nachkriegsverbandstag in Regensburg für die süddeutschen Vereine und in Oberhausen für den westdeutschen Verband statt. In den nachfolgenden Jahrzehnten erfolgte die Konsolidierung der Verbandsstrukturen.
Die KAB wirkte als sozialpolitische Kraft an zahlreichen Gesetzesvorhaben mit, z.B. beim Ausbau der Unfallversicherung, der Altersvorsorge und der Mitbestimmung. Durch verbandszentrale Einrichtungen und Institute sowie den Ausbau der Beratungstätigkeiten schärfte die KAB ihr Profil als politische Bewegung, Selbsthilfebewegung, Bildungs- und Aktionsbewegung sowie internationale Bewegung.
1971 gründeten der süddeutsche und westdeutsche Verband sowie der Landesverband Rottenburg-Stuttgart den Bundesverband der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung. Im Rahmen eines Reformprozesses wurden die Regionalverbände als eigenständige Strukturen zum Januar 2004 aufgelöst und in die KAB Deutschlands überführt.
Die KAB Deutschlands ist eine selbstständige Vereinigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Sie ist anerkannt als Verband mit sozial- und berufspolitischer Zwecksetzung. Mit etwa 80.000 Mitgliedern ist sie nach den Gewerkschaften die stärkste Arbeitnehmerorganisation in Deutschland. Sie untergliedert sich in Diözesanverbände, Bezirks- und Kreisverbände sowie Ortsvereine. Korporative Mitglieder der KAB sind die Christliche ArbeiterInnenjugend (CAJ) und die Associazioni Cristiane Lavoratori Italiani Germania (ACLI Germania). Die KAB ist Mitglied der Weltbewegung christlicher Arbeiter (WBCA) und der Europäischen Bewegung christlicher Arbeiter (EBCA).
KAB heute - Einsatz für den Sozialstaat
Auf der Grundlage der Soziallehre der Kirche, insbesondere dem Solidaritäts- und Subsidiaritätsprinzip, setzt sich die KAB für einen Sozialstaat ein, der Ausgrenzung beseitigt und den sozialen Aufbau und Zusammenhalt unsere Gesellschaft sichert und fördert. Für uns ist der Sozialstaat ein Staat, der durch seinen strukturellen Aufbau und politische Maßnahmen soziale Sicherheit gewährleistet und soziale Gerechtigkeit schafft. Er hat die Teilhabe und Teilnahme aller am wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Leben zu sichern. Hierfür muss der die materiellen und sozialen Voraussetzungen für alle schaffen.
Der soziale Ausgleich im Sinne der Verteilungsgerechtigkeit ist die zentrale Aufgabe eines sozialen Staates und damit der Sozialpolitik. Die KAB wehrt sich dagegen, dass der Sozialstaat unter dem Deckmantel des Umbaus ausgehöhlt und abgebaut wird. Sie setzt sich dagegen ein, dass soziale Risiken zunehmend privatisiert werden und die Umverteilung von „unten“ nach „oben“ fortgesetzt wird. Sie steht zu den Grundlagen eines eigenverantwortlichen, selbstverwalteten Systems der sozialen Sicherung und beteiligt sich deshalb in vielfältiger Form etwa an der sozialen Selbstverwaltung als einem zentralen Element eines subsidiären Sozialstaats.
Die KAB hält an der friedenstiftenden Funktion sozialstaatlichen Handelns fest, die es wegen seiner Bedeutung für den sozialen Frieden zu erhalten und auszubauen gilt.