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Einfach dämonisch? – Nachklang zum 4. Sonntag (A) 2024

Eine Skizze

Mit ein paar Strichen einen bestimmten Menschen mit seiner Ausstrahlung aufs Papier bringen können, - ich bewundere Zeichner und Graphikerinnen mit dieser tollen Begabung. Der Evangelist Markus beherrscht diese Kunst als Erzähler: zwei, drei knappe Sätze und die Welt und das Wirken Jesu entstehen vor unserem inneren Auge. Leider gibt es aber Ausnahmen. Es ist einfach zu knapp, wenn er das Setting für das erste Wunder Jesu skizziert: die Synagoge in Kafarnaum; Menschen, die über seine Lehre staunen und unter ihnen der Mann, „der von einem unreinen Geist besessen war“ (Mk 1,21-23). Da hätte ich gerne mehr Informationen! Ich bin mir sicher, dass es zu kurz greift, wenn bis heute davon die Rede ist, die Menschen zur Zeit Jesu hätten sich mit unreinen Geistern, mit Dämonen, mit dem Phänomen der Besessenheit, ganz einfach das Entstehen der verschiedensten Krankheiten erklärt - Krankheiten, die den Menschen ganz in Besitz nahmen, als wäre er von Geistern, von Dämonen besessen.

Menschsein in Gemeinschaft

Mir fällt auf, dass Markus mehrfach auf die beim Wunder anwesende Gemeinschaft hinweist. Ich vermute, dass es ihm um mehr als die bloße Erwähnung eines beliebigen Publikums geht. Anders als unser von Individualismus und absoluter Selbstbestimmung geprägtes Verständnis vom Menschen, sieht die Bibel niemanden als bloßes Einzelwesen. In der biblischen Weise die Wirklichkeit zu verstehen, gibt es von Anfang an den von Gott gut und auf Gemeinschaft hin geschaffenen Menschen – „als Mann und Frau schuf er sie“. Dieser Mensch ist in seinem Gemeinschaftsbezug immer dann von den Mächten des Todes bedroht, wenn Gottes Geist nicht in ihm, nicht in ihr mächtig ist – der Geist des Lebens, der auch der Geist des Zusammenlebens ist. Die Vorstellung vom Menschen als Gemeinschaftswesen ist vielleicht gar nicht so weit weg von unserer Wirklichkeit, wie es zunächst scheint. Schließlich leben wir in einer global vernetzten Welt. In ihr hängt alles, auch das einzelne Leben, stets mit allen und allem zusammen.

Dämonische Kräfte

Was aber ist in unserer hochvernetzten Welt ein „unreiner Geist“? Ich bin davon überzeugt, dass einer der größten Ungeister in unserer Gegenwart der der großen Vereinfachung ist. Es ist eine geradezu dämonische Verführung, in Politik und Gesellschaft, Menschen simple Erklärungen mit „Gut und Böse“, „Wir und die da“ oder „Richtig und Falsch“ in die Gehirne zu pressen und so Egoismus und Hass zu nähren. Denn nichts anderes passiert ja in den vielen in Dauerschleife laufenden Hetzkampagnen und den in immer neuen Varianten vorgetragenen Verschwörungstheorien. Ein anderer „unreiner Geist“ ist der der Verharmlosung und der Verdrängung. Geschmeidige Begriffe beschreiben die millionenfache Kennzeichnung von Menschen als nichtdazugehörig und deren Deportation. Dies ist Bestandteil eines dämonischen Treibens, das Menschen langsam aber sicher zerstört. Hier entstehen Gedankenwelten, die das Miteinander vergiften und vernichten. Das Zusammenleben geht aber auch dadurch zugrunde, wenn Verantwortung kollektiv geleugnet wird und sich Täter als Opfer von Kampagnen inszenieren.

Die Geduld des Heilens

Unsere Zeit ist dringend auf Menschen angewiesen, die mit der Kraft und Autorität Gottes sagen: „Fahr aus, unreiner Geist!“. Gemeint sind damit aber weder Exorzisten noch die berühmt berüchtigten „starken Männer“. Wir müssen uns klar machen, dass der Evangelist Markus mit diesem Satz erneut nur das Nötigste skizziert. Er verdichtet hier, was in der Wirklichkeit des Lebens der Gemeinschaft und des einzelnen Menschen viel Zeit und Geduld in Anspruch nimmt. Die Austreibung des „unreinen Geistes“ beginnt damit, dass ich den Menschen nicht aus dem Blick verliere. So schwer die Unterscheidung auch fallen mag: Menschen und dämonische Ideologien sind nie deckungsgleich. Was hilft also? Am Ende sind es nicht die Dämonisierung ganzer Großgruppen und eine Kultur des bloßen Abstempelns und des „Ins-Abseits-Brüllens“. Der ehemalige Frontmann einer rechtsextremen Punkband hat kürzlich davon erzählt, was ihm am besten zurück in die Mitte der Gesellschaft verholfen hat: „Mein Auffangnetz waren Liebe, Zuhören und Diskutieren.“

Stefan-Bernhard Eirich, Bundespräses der KAB Deutschlands